Niederzwehren

Stadtteil im Süden von Kassel



Der Stadtteil Niederzwehren

Niederzwehren ist ein noch junger Bestandteil der Stadt Kassel, erst 1936 wurde der bis dahin selbstständige Ort trotz massiver Proteste der Einwohner in die Stadt eingemeindet. Niederzwehren weist eine weit zurückreichende Geschichte auf, gehört damit zu den ältesten Stadtteilen Kassels. Im Jahre 1074 wird es als Tuueron, 1207 als Tweren in verschiedenen Urkunden genannt. 1224 wird die villa Tweren inferior genannt zur Unterscheidung zum benachbarten Oberzwehren. 1322 wird der Ort Nederntwern genannt. Das in Richtung Niederzwehren gelegene Tor in der benachbarten Stadt Kassel heißt heute noch Zwehrentor (1269 valva tendit Tuern).

Von Holtmeyer wird zu dieser Zeit eine Burg in Zwehren vermutet anhand des adligen Geschlechtes derer von Twerne, die bis in das 16. Jahrhundert nachweisbar sind. Die Burg soll nahe der Kirche dort gestanden haben, wo später der Perlenhof lag. Der Abtei Kaufungen stand das Patronat über die Kirche zu, in der Gemarkung, die früher wesentlich größer war als die heutigen Ortsteilgrenzen, hatten auch die Klöster in Hasungen und das kleine Zisterzienserinnenkloster Nordshausen Besitz.

Die Bevölkerungszahlen waren in den früheren Jahrhunderten wesentlich kleiner als heute, mehr Menschen konnten seinerzeit aus den kargen Erträgen des Landes nicht ernähren. So müssen wir uns auch Niederzwehren als ein nach heutigen Begriffen kleines Dorf vorstellen mit ausschließlich Bauern und Handwerkern.

Der vor den Mauern der befestigten Hauptstadt liegende Ort hatte bei den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen sehr zu leiden. Schwere Schäden sind aus den langen Fehden des Mainzer Erzbischofs mit dem hessischen Landgrafen bekannt, 1402 wurde das Dorf verwüstet. Als direkte Folge wurden Friedhof und Gotteshaus zu einem befestigtem Fluchtpunkt mit einer hohen Mauer und einem Wehrturm ausgebaut. Im dreißigjährigem Krieg brannten kaiserliche Truppen das ganze Dorf nieder. Auch im siebenjährigem Krieg gab es große Schäden und Verluste. Jedes mal baute die überlebende Bevölkerung das Dorf wieder auf, unter erheblichen Opfern und Strapazen. Im vergangenen Krieg, in dem die Innenstadt Kassel restlos unterging, erlitt Niederzwehren erhebliche Schäden und Verluste. Der letzte massive Eingriff in die Substanz des Ortes erfolgte durch die Stadtsanierung. Mitten durch den Ort wurde eine breite Schneise geschlagen, vorwiegend aus Verkehrsgründen.

Die ursprünglich rein bäuerliche Struktur des Ortes begann sich zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts zu verändern. Industrien siedelten sich an, so die Waggonfabrik Gebr. Credé und die heute noch bestehende Firma Berghöfer. 1913 wurde die Kasseler Straßenbahn vom Park Schönfeld eingleisig bis zur Dennhäuser Straße gebaut. Anfang des letzten Krieges verlängerte man diese Linie bis nach Altenbauna. Große Veränderungen brachten die Ansiedlung der VW-Werke und die Entstehung der Stadt Baunatal mit sich. Immer stärker wuchs die Einwohnerzahl. Gleichzeitig vollzog sich ein Strukturwandel in der Landwirtschaft, immer mehr Landwirte gaben auf. Dieser Prozess war bereits vor dem letzten Krieg eingeleitet worden durch Verlust der Flächen auf der Dönche für einen Truppenübungsplatz, einige Bauern verloren ihre Existenzgrundlage. So kam es, dass mitten im Zentrum des Ortes eine Reihe von Gehöften bereits leer standen oder absehbar aufgegeben würden. Der Grundgedanke einer Stadtsanierung war daher durchaus gerechtfertigt. Der rigorose Kahlschlag wird heute allgemein als überzogen verurteilt, zudem die Ausführenden (Neue Heimat), mit großer Härte gegenüber den Betroffenen vorgegangen sind. Etwa 300 Bewohner verloren ihr Zuhause, das Ortsbild veränderte sich völlig. Leider sind viele romantische Winkel mit verloren gegangen, die bei etwas mehr Verständnis hätten erhalten werden können.

Der Ort besaß 1901 etwa 2500 Einwohner, 25 Jahre später waren es knapp 7000. Tatkräftige, erfolgreiche Bürgermeister (Ludwig Massie von 1901 bis 1925, Georg Fladung Bürgermeister von 1925 bis 1936) haben den Ort modernisiert, dabei aber sorgfältig auch auf die Finanzen geachtet, Schulden gab es nicht. Als berühmteste Einwohnerin dürfte Dorothea Viehmann (1755-1815) gelten, auf der Knallhütte als Dorothea Pierson, Nachkommin von Hugenotten geboren. Der Fabrikbesitzer Adam Credé galt als weitblickender, erfolgreicher Unternehmer mit einer vorbildlichen sozialen Einstellung. Eine weitere berühmte Frau war in Niederzwehren zu Hause: Dr. Elisabeth Selbert. Und vergessen wir nicht jenen Mann, ohne den in den vergangenen Jahren das Stadtparlament nicht zu denken ist, den 1995 verstorbenen Günter Kestner.